Donnerstag, 14. Juli 2011

Hirtenbrief unseres Primas zu Johannes 15,9-17 Zum Thema:Liebet einander



Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder,

"Liebet einander" lesen wir in diesem Evangelium nach Johannes, aber wie geht das? Es ist ja furchtbar leicht: Liebt einander. Wie liebt man?

Die ist keine dumme Frage und schon gar keine nebensächliche. Wenn Jesus sagt, das wir ihn lieben und in seiner Liebe bleiben, wenn wir seine Gebote halten und wenn er uns dann gleichsam als einziges Gebot den Auftrag gibt, einander zu lieben, dann das ist die zentrale Frage unseres ganzen Christseins: Wie macht man das? Wie liebt man?

Und die Frage ist deshalb so prekär, weil sie so banal klingt. Natürlich glaubt jeder, genau zu wissen, was zu lieben heißt. Aber versuchen wir einmal diese Frage wirklich zu beantworten. Wie sieht sie aus? Was ist wahre Liebe?

Wenn wir spät abends durch die Fernsehkanäle zappen, bekommen wir da und dort, Antworten auf diese Frage. Da wird sie ja präsentiert, die "wahre Liebe" - nur schreibt man dieses "wahr" glücklicherweise noch mit eingeklammerten "h", denn die Liebe, die wir in den Medien vor Augen geführt bekommen hat meist sehr viel mit vermarkteter Liebe zu tun. Und selbst wenn es einmal um mehr geht als um Erotik, selbst dann ist es in aller Regel eine sehr eingeschränkte Liebe, die uns da präsentiert wird. Es geht ja fast immer um die idealen Liebespartner, der die makellose Schönheit besitzt, in blühender Jugend steht und nicht zuletzt den ungebrochenden Erfolg hat. Das erinnert mich an alte griechische Legenden. Die alten Griechen stellten sich nämlich vor, das man immer auf das Schöne, Edle und Vollkommene ausrichten muss und sich nicht mit demHässlichen, Kranken und Mangelhaften umgeben soll. Das Unvollkommene zeiht einen nach unten, Unvollkommenes gilt es deshalb zu meiden, gleichsam auszumerzen. Nach Schönen, dem Reinen, dem Vollkommenen, danach müsse der Mensch streben, das allein könne Inhalt wirklicher Liebe sein.

So wird auch heute vielfach Liebe verstanden. Und vielleicht ist es auch deshalb so schnell vorbei, diese Art von Liebe. Wenn die Falten nicht mehr so liebenswert, wenn die Ecken und Kanten nur noch zum Davonlaufen sind und Gebrechen nur noch abstoßend wirken, dann hat Liebe kaum noch eine Chance. Deshalb glaube ich auch nicht, das Jesus Liebe so versteht. Aber was meint er dann mit Liebe? Wie versteht er sie dann? Im Neuen Testament habe ich einen Satz gefunden, der zumindest für mich persönlich deutlich macht, was Jesus damit meinen könnte, wenn er sagt: "Liebet einander". Paulus formulierte einmal, die treffenste Umschreibung, was Liebe eigentlich meint - Paulus schreibt im Galatherbrief: "Einer trage des anderen Last". Das ist es vielleicht. Das macht Liebe aus, von der Jesus spricht. Liebe hat weniger mit dem Schönen, mit dem Edlen, mit dem Makellosen zu tun, Liebe hat damit zu tun, dass Menschen tragen, auch die Ecken und Kanten der anderen ertragen! Ertraget einander!

Für mich ist das die beste Umschreibung dessen, was Jesus mit seiner Grundforderung nach seiner gegenseitigen Liebe meint. Tragt miteinander und ertragt einander!

Ich habe die Hoffnung, das wir als Christen und damit meine ich Christen aller Konfessionen eine wahre Liebesgemeinschaft werden. Das wir uns gegenseitig erragen, auch die, die sich vielleicht nicht ausstehen können, auch die, die immer wieder aneinandergeraten. Das ist meine Hoffnung.

Ertraget einander!

Liebe ist sicher noch einmal etwas anderes, als reines ertragen. Aber sich gegenseitig zu ertragen das ist - denke ich - ein richtiger Anfang und manchmal chon die halbe Miete.

Amen.

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