Donnerstag, 23. Dezember 2010

Predigt unseres Primas an Heilig abend 2010

Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder,
was bedeutet für uns Weihnachten: sehr feierliche Gottesdienste, tolle Geschenke, viele Besuche, gutes Essen, viele Gespräche und Begegnungen. Das ist schon sehr viel was wir mit Weihnachten so in Zusammenhang bringen. Aber ist das wirklich schon alles? Was sagt uns die alljährliche Weihnachtsbotschaft? Sagt es uns das Gott Mensch geworden ist, ja einer von uns geworden ist?  Weihnachten, das ist Gottes Widerspruch gegen alle Ratlosigkeit, Sprachlosigkeit, Tatenlosigkeit in der Welt, gegen diese völlig unnötigen Mauern zwischen uns Menschen, unseren vielen unterschiedlichen Traditionen, Religionen, Konfessionen. Gott wird Mensch, das gilt uns allen Menschen und es verbindet uns über alle Trennungen hinweg. Lassen wir ihn heute eine Heimat finden mitten unter uns. Wir hören aus dem Lukasevangelium, wie von einem Kaiser und seinem Stadthalter berichtet wird. Es geht um die Volkszählung, um die Steuern fest zusetzen, in einem eroberten und besetzten Land. Und dann hören wir von Josef, der sich mit seiner schwangeren Frau Maria aufmachen musste, da sie sich registrieren lassen mussten. Wir können uns gut vorstellen, das die Menschen damals alles andere als begeistert gewesen sind, wegen einer verhassten Steuer die sie dem römischen Herrscher zahlen mussten, auf einen langen, unbequemen Weg machen zu müssen, wenn man eben nicht mehr da lebt und arbeitet, woher die Familie einmal kam. So waren auch Josef und Maria unterwegs, von Nazareth dem Ort, der für sie Gegenwart uns Zukunft ist nach Bethlehem, dem Ort seiner Vergangenheit, seiner Familiengeschichte; also sozusagen waren sie Wanderer zwischen zwei Welten mit einer hochschwangeren Frau. Die Nachrichten zu diesem Weihnachtsfest sind alles andere als ermutigend und fröhlich. Sie passen gar nicht in diesen feierlichen rahmen hinein. Wir hören wenig von: „Frieden auf Erden und allen Menschen Gottes Wohlgefallen“. In den letzten Monaten ist der Terrorismus wieder angewachsen, wie ihn die Welt schon lange nicht mehr erlebt hat. Die Menschen leben und leiden unter Terror und Krieg, sind auf der Flucht, heimatlos. Die zivilisierte Welt ruft nach Terrorbekämpfung und weltweiten Sicherheitsbestimmungen auf. Wie oft wird auch in unserer Mitte ausgegrenzt statt integriert, Was fremd oder anders ist, stört unsere Normalität. Wo aber bleibt das Kind, das damals – gezwungenermaßen unterwegs, ein wenig verloren und scheinbar heimatlos- geboren wird? Wie passt das alles zu der erwünschten und erhofften weihnachtlichen Stimmung? Was fangen wir mit diesem Jesus an? Stimmt uns dieses Fest nicht nachdenklich, vielleicht sogar traurig, weil wir die deutliche Diskrepanz zwischen unseren Erwartungen an diesem Fest, seinem Inhalt und seiner Erfüllung empfinden? Für uns ist dieser Abend immer sehr wichtig, die uns so sehr vertraute Weihnachtsbotschaft, den Liedern, Kerzen, der Stimmung, das wir am anderen Morgen wie mit einer Katerstimmung aufwachen, weil wir spüren, das wir wieder in der Welt angekommen sind und der Himmel, den wir gestern noch fast greifen konnten, leider verschwunden ist. Wir singen und beten an diesem Heiligen Abend in ehrlicher Absicht Gott mit diesem Kind in unser Leben hinein. Wir sind sogar für diesen Abend in diesem stimmungsvollen Glauben, aber dann bleibt er uns doch fremd, er Gott des Heiligen Abends mit dem Kind aus Bethlehem, so das sehr bald wieder ausgegrenzt wird, wie ein Fremder. Dieses Kind, das da zwischen den Welten, unterwegs, geboren wird, der als erwachsener verehrt wird, dann aber von Menschen geächtet und an ein Kreuz genagelt, lebt in dieser Welt mit all ihren existentiellen erfahrbaren Tiefen und bringt dem Menschen das, was ihm fehlt, nämlich eine Heimat in Gott. Heimat ist ein sehr gebräuchlicher Begriff. Dabei sehnen wir uns alle nach ihr. Für Menschen die sie einmal verloren haben, klingt der Begriff nach unbewältigter Vergangenheit, andere wieder beschwören sie regelrecht, oder bezeichnen sie als altbackend oder überholt. Doch gehört Heimat – richtig verstanden- zu unseren tiefen Bedürfnissen. Hier verbindet sich: Herkunft, Vertrautes, Sicherheit, Wurzeln, es ist ein geschützter, geborgener Bereich. Dagegen verstehen wir unter Heimatlos: Unsicherheit, Flucht, Gefahr und Bedrohung. Auch heute Abend hören wir viel vom Heimatlichen, wir verbinden es mit unserer Kindheit, und vielleicht auch mit dem Glauben unserer Gemeinde. Heimat, zu Hause zu sein in den vertrauten Riten, Texten, Liedern und das mitten in unserem Leben, indem wir uns Tag für Tag zu behaupten haben, wo wir uns herausgefordert fühlen, wo wir kämpfen müssen und das Leben einmal mehr, ein anderes mal weniger gelingt und scheinbar immer flüchtiger wird durch unsere unterschiedliche Weise der Infragestellung. Ja was fangen wir mit diesem Jesus an, wie retten wir etwas von diesem heiligen Abend, in diesem unserem Alltag hinein? Es gibt keine einfache Antwort darauf, wie wir unseren Glauben mit in den Alltag nehmen. Aber wir können uns das Dunkle, Verwirrende, Flüchtige unserer Zeit vor Augen halten, umso wieder zu unseren Wurzeln zu kommen. Gott ist nicht fassbar und in unserem Fühlen sicher ganz anders, als unsere Vorstellung es zulässt. In jedem Fall anders als Dürers Jüngling mit dem blonden, lockigen Haar. Darum ist es entscheidend wichtig, das Gottes Sohn heute in unserem Glauben Mensch wird, damit der Mensch eine Heimat findet in Gott! Es ist Weihnachten geworden, was fangen wir mit diesem Jesus an? Machen wir uns mit unseren Gedanken einmal auf den Weg, damit wir erkennen, das der Gott der Höhe genau auch der Tiefe ist und dass wir uns daher mitten in unserem Leben mit all unseren unterschiedlichen Lebenserfahrungen, eine Heimat geben dürfen in diesem Glauben, an diesem Gott. Krippe und Kreuz werden zu Symbolen, die uns ein ganzes Jahr begleiten, dabei aber zutiefst mit der Heimat unseres Glaubens, Gott selbst, verbunden sind. Ich wünsche allen ein gesegnetes Weihnachtsfest, auf das wir mit unserem Glauben eine geistliche Heimat finden in Gott, denn dazu wurde Gottes Sohn Mensch. Amen  

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